Analyse-Bild des Monats

2019-11: Schmetterlingsbruch

2019 11 Schmetterlingsbruch a

Bei dem obigen Bild könnte der Betrachter aufgrund der recht regelmäßigen Struktur, die sich konzentrisch um einen Mittelpunkt bildet, von Absicht ausgehen. Dies ist aber nicht der Fall. Bei der Glasscheibe handelt es sich um Einscheibensicherheitsglas ("ESG"), welches im Rahmen seiner Herstellung typischerweise nach der reinen Produktion als Floatglas (Flachglasproduktion auf Zinnbad) nochmals thermisch behandelt wird. Nach dem Abkühlen kann dieses Flachglas als Glasscheibe in Fenstern, aber natürlich auch anderweitig zum Einsatz kommen.

Das obige Muster entsteht durch einen Spontanbruch, der prinzipiell verschiedene Ursachen haben kann.

 

Das thermisch vorgespannte ESG besitzt in seinem Inneren eine erhöhte Zugspannung, und zu den Oberflächen hin eine erhöhte Druckspannung. Kommt es nun zu einer Belastung der Außenoberfläche, wird die Spannung über die ganze Scheibe verteilt. Dies geht bis zu einem gewissen Ausmaß recht gut, doch bei zu hoher Belastung pro Fläche zerbricht die Scheibe,bei ESG normalerweise in unzählige kleinste Stücke, die typischerweise recht geringe Schneidgefahr besitzen.

So lange es sich nicht um Verbundsicherheitsglas ("VSG", bestehend aus mehreren Glas- und Folienschicht(en)) handelt, findet man zumeist nur noch die Bruchstücke vor, ohne dass der Bruchursprung noch erkennbar ist.

Im obigen Fall ist das nicht so. Die Scheibe an sich ist noch nicht auseinandergebrochen und lässt aufgrund des Bruchverlaufes selbst für den Laien die Vermutung naheliegen, dass der Bruchursprung wohl in der Mitte läge. Und in der Tat, bei näherer Betrachtung findet sich in der Mitte ein kleiner Einschluss:

2019 11 Schmetterlingsbruch b

Das Material des auf dem Detailbild zu sehenden Einschlusses lässt sich ohne genaue Analyse nicht mit Sicherheit sagen. Es ist jedoch in vielen Fällen so, dass ein solcher Einschluss bei dem gezeigten Bruchbild aus Nickelsulfid (NiS) besteht.
NiS ist bereits bei der Produktion im Flachglas enthalten und dehnt ich bei der anschließenden thermischen Behandlung aus. Hierdurch entsteht im Inneren des Glases, also im Zugspannungsbereich eine punktuelle Belastung. Bei anschließenden Temperaturschwankungen - im obigen Fall handelt es sich um eine Fensterscheibe eines Flughafens, die recht viel Sonneneinstrahlung "verkraften" musste - kann ein weiteres Ausdehnen zu einer überhöhten Spannung und damit zum Bruch führen.
Typisch für diese Art Einschluss ist das Bruchbild, welches im Zentrum des an ein Spinnennetz erinnernden Bruches zwei Stücke enthält, die visuell zwei Rücken an Rücken befindlichen Buchstaben "D" ähneln. Bei diesen beiden "D"s kann auch alternativ ein Schmetterling gesehen werden, woher der Bruch seinen Namen hat: Schmetterlingsbruch. Recht mittig zwischen den beiden D-Rücken findet sich der Einschluss.
 
2019 11 Schmetterlingsbruch c
 
Ein solcher Bruch kann nur bedingt im Vorfeld ausgeschlossen werden, da NiS-Einschlüsse nicht gänzlich ausschließbar, und auch nur schwer erkennbar sind. Diese müssen im übrigen nicht zwangsläufig zu Brüchen führen. Um jedoch sicher zu gehen, kann eine fertige Scheibe vor dem Einbau in einen Rahmen für einige Stunden bei einem sogenannten Heißlagerungstest (engl. "Heat-Soak-Test") nach DIN EN 14 179 getestet werden und würde dann bei einem bestehenden relevanten NiS-Einschluss bereits während dieses Testes zerbrechen. Im Bauwesen werden solche Glasscheiben mit heißgelagertem Einscheiben-Sicherheitsglas als "ESG-H" abgekürzt.
 

Allgemein:

Unsere neue Kategorie "Bild des Monats" soll Ihnen jeden Monat einen kleinen Einblick in des Analyse-Alltag geben. Es zeigt jeweils ein besonders interessantes, auffälliges oder einfach nur (unserer Meinung nach) besonders schönes Bild aus einer unserer Analysen. Hier werden immer unterschiedliche Motive zu sehen sein, ob von Mikroskop-Untersuchungen, REM-Aufnahmen oder anderem. Lassen Sie sich überraschen - jeden Monat neu.